Rentenerhöhung 2019 – Wer jetzt Steuern zahlen muss – 48.000 mehr Rentner müssen jetzt wieder Steuern zahlen. Der Grund: Die Rentenerhöhung 2019. Zudem wurde die Mütterrente Anfang des Jahres um eine halben Rentenpunkt erhöht. Wie viele Ruheständler jetzt auch wieder eine Steuererklärung beim Finanzamt abgeben müssen, das weiß man nicht so genau. Und auch dies nicht: Wer muss jetzt Steuern zahlen?
Die Rentenerhöhung 2019 ist zweifellos eine gute Sache. Die Rentenzahlungen wurden zum 1. Juli in den neuen Bundesländern um 3,91 Prozent angepasst, in den alten Ländern um 3,18 Prozent. Zudem erhalten Mütter deren Kind vor 1992 geboren wurde seit dem 1. Januar einen halben Rentenpunkt mehr. Dies ergibt dann insgesamt 2 Rentenpunkte. Doch jede Wirkung hat auch Nebenwirkungen.
Zum Beispiel diese – die Bundesregierung schreibt in einer Pressemitteilung vom 13. Mai 2019, dass ca. 48.000 Rentner durch die Rentenerhöhung 2019 Steuern zahlen müssen:
„Infolge der Anpassung der Rentenwerte zum 1. Juli 2019 werden voraussichtlich rund 48.000 Steuerpflichtige mit Rentenbezug zusätzlich einkommensteuerlich belastet.“
Das große Rechnen: Wer nach der Rentenerhöhung 2019 Steuern zahlen oder eine Steuererklärung einreichen muss
„Es gibt keine einfache Formel, die diese Fragen beantworten könnte“, sagt Timo Bell, Vorstand der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V. Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck: „Ob für die Rente überhaupt Steuern berechnet werden – das sollten Ruheständler individuell prüfen beziehungsweise prüfen lassen.“
Wer die Steuererklärung selbst erstellt, der wird sich außerdem mit einer weiteren Komplikation beschäftigen müssen. Denn der Anpassungsbetrag für die Rente fließt zu hundert Prozent in den steuerpflichtigen Rentenanteil ein. Das heißt: Die 3,19 Prozent bzw. die 3,18 Prozent erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass man nun doch wieder Steuern zahlen oder die Einkommensteuererklärung machen muss.
Wie dramatisch die Auswirkung der Rentenerhöhungen mehrere Jahre sein können, das verdeutlicht ein Beispiel:
Eine Rentnerin in Halle/Saale musste im Jahr 2005 Steuern in Höhe von 58 Euro zahlen. 2005 war das Jahr, in dem die schrittweise Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der Renten begann. Aufgrund der Rentenerhöhungen berechnete das Finanzamt im Jahr 2018 Steuern in dieser Höhe: 978 Euro.
Der Besteuerungsanteil – Wie Rentner nach der Rentenerhöhung 2019 kalkulieren können
Es gibt zwar keine Faustformel. Aber es existieren Anhaltspunkte mit denen Rentner kalkulieren können, was jetzt zu tun ist. Die also grobe Antworten auf folgende Fragen liefern: Bin ich jetzt wieder verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben? Muss ich jetzt auch wieder Steuern zahlen?
Der wichtigste Punkt ist der steuerpflichtige Rentenanteil. Mit der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der Rente passiert folgendes: Für Berufstätige werden die Rentenbeiträge zunehmend steuerfrei gestellt. Und parallel dazu erhöht sich der steuerpflichtige Rentenanteil. Das geht ganz allmählich vonstatten: Der Prozess startete im Jahr 2005. Seinerzeit musste man 50 Prozent der Rente versteuern. Die Umstellung endet im Jahr 2040. Dann sind 100 Prozent der Rente steuerpflichtig – und analog dazu die Rentenbeiträge der Berufstätigen steuerfrei.
Wie hoch ist nun der Besteuerungsanteil? Dieser wird festgelegt in dem Jahr, das auf den Renteneintritt folge. Ein Beispiel: Eine Rentnerin ging im Jahr 2018 in Rente. Sie muss also künftig 78 Prozent ihrer Rente (2019) versteuern.
Eine Gesamtansicht, in welchem Jahr welcher Besteuerungsanteil gilt, zeigt das Einkommensteuergesetz (§22 EStG).
Die Rentenerhöhung 2019 und der Grundfreibetrag
Wer grob überschlagen möchte, ob er Steuern zahlen oder doch eine Steuererklärung anfertigen muss, der muss als nächstes den sogenannten „Grundfreibetrag“ beachten. Das ist anders ausgedrückt das Existenzminimum. Einkünfte, die den Grundfreibetrag nicht übersteigen, besteuert der Fiskus nicht.
Der Gesetzgeber passt den Grundfreibetrag regelmäßig an. 2017 betrug er 8.820 Euro, 2018 lag dieser bei 9.000 Euro, 2019 bei 9.168 Euro. Für 2020 hat der Gesetzgeber den Grundfreibetrag bei 9.408 Euro festgesetzt.
Der Grundfreibetrag ist für die Rentenbesteuerung in doppelter Hinsicht wichtig. Er ist sozusagen die Messlatte. Wird sie überschritten, muss man eine Einkommensteuererklärung am Finanzamt abgeben. Sie entscheidet aber auch über die Besteuerung.
Die Pflichtveranlagung: Zum steuerpflichtigen Rentenanteil muss man nun alle Einkünfte addieren. Liegen Mieteinnahmen vor, dann kommen sie dazu. Das gilt auch für Einnahmen aus Verpachtung oder aus zusätzlichen Jobs. Ausgenommen hiervon sind die 450 Euro Jobs geringfügig Beschäftigter, vorausgesetzt, diese sind angemeldet bei der Bundesknappschaft.
Die Abgabepflicht nach der Rentenerhöhung 2019
Übersteigt der Gesamtbetrag, also übersteigen die Jahreseinkünfte den Grundfreibetrag – abzüglich der Werbungskostenpauschale von 102 Euro -, dann entsteht die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Und zwar sogar dann, wenn man keine Steuern abführen muss.
Die Steuerpflicht: Bei der Berechnung der Steuerpflicht werden von den Jahreseinkünften alle Ausgaben abgezogen. Dazu zählen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch die Werbungskosten kommen hier zum Tragen. Liegen dabei keine Kosten vor, kann man immerhin die Werbungskostenpauschale von 102 Euro geltend machen. Außerdem kann man die Sonderausgabenpauschale von 36 Euro ansetzen. Viele Ruheständler haben auch Krankheitskosten. Diese kann man unter bestimmten Voraussetungen ebenfalls geltend machen. Abhängig ist das vor allem davon, dass diese Kosten die sogenannte “zumutbare Belastung” überschreiten. Der darüber hinausgehende Teil wirkt sich steuermindernd aus. Das sollte man bei der Rentenerhöhung 2019 beachten.
Übersteigt das Einkommen nach Abzug aller Ausgaben den Grundfreibetrag, dann berechnet das Finanzamt Steuern.
„Das ist wie gesagt nur eine grobe Kalkulation“, sagt Timo Bell: „Lohnsteuerhilfevereine können dies genau ausrechnen. Sie wissen auch, welche Ausgaben, zum Beispiel bei den Krankheitskosten, man absetzen kann und was noch zu den Werbungskosten zählt.“
Rentenerhöhung 2019 – über die Hälfte der Ruheständler muss mit weniger als 900 Euro Rente pro Monat auskommen – müssen sie dennoch Steuern zahlen?
51,4 Prozent der Rentner mussten 2018 mit weniger als 900 Euro Rente pro Monat auskommen. Das war eine Schlagzeile, die viele Menschen verunsicherte.
„Im ersten Moment hat uns die Zahl auch völlig überrascht“, sagt Timo Bell: „Tatsächlich muss man aber doch genauer auf die Details dieser Statistik schauen.“
Die Bundesregierung hatte diese Zahl veröffentlicht und zwar auf Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag. Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort weiter erklärt, dass die Zahl sich auf den Rentenbetrag bezieht, nach Abzug der Sozialbeiträge, aber vor Steuern. Darüber hinaus erklärte die Bundesregierung, dass in diesem Zusammenhang mögliche zusätzliche Einkommensquellen und die Haushaltssituation nicht berücksichtigt seien.
Tatsächlich liegt das Netto-Gesamteinkommen der Rentner deutlich darüber. So verfügen laut dem Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung Menschen im Ruhestand über deutlich höhere Einkommen. Der Bericht aus dem Herbst 2018 kommt zu diesen Ergebnissen: Rentner-Ehepaare verfügten im Jahr 2015 im Osten über 2.257 Euro, im Westen über 2.572 Euro. Alleinstehende Frauen erhielten 1.370 Euro (West: 1.422 Euro). Alleinstehende Männer kamen auf netto 1.389 Euro (West: 1.593 Euro).
Wer tatsächlich lediglich 900 Euro Rente bezieht und keine weiteren Einkünfte hat, der wird auch keine Steuern zahlen müssen. Grund dafür ist vor allem der Besteuerungsanteil. Zudem kann man noch Werbungs- oder etwa Krankheitskosten geltend machen. Im Ergebnis übersteigt die Rente nicht den Grundfreibetrag.
„Dennoch bleibt die Verarmung im Alter eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen“, sagt Timo Bell: „Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung hier bald Lösungen vorlegt.“
Gibt es neben der Rentenerhöhung 2019 auch eine Doppelbesteuerung zu Lasten der Steuerzahler?
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) greift diesen Verdacht auf und plant offensichtlich eine Musterklage. Zur Doppelbesteuerung schreibt der BdSt:
„Immer mehr Senioren zahlen Einkommensteuern. Ob die Besteuerung dabei immer das richtige Maß erreicht, ist umstritten. Im Raum steht eine Doppelbesteuerung, die der Bund der Steuerzahler gerichtlich überprüfen lassen will.“
Allerdings wurden schon wiederholt Klagen in diesem Zusammenhang von den Gerichten abgewiesen. Grundsätzlich muss die Rentenreform, also die schrittweise Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung, steuerlich neutral sein. Zwar erhöht sich durch die Umstellung von Jahr zu Jahr der Anteil der steuerpflichtigen Senioren. Allerdings mussten sie auch während der aktiven Berufszeit entsprechend weniger Steuern zahlen.
Zur Rentenerhöhung 2019 – Vorsorge ist besser als Nachsorge
Neben der Rentenerhöhung 2019 wurde außerdem die Mütterrente erhöht. Einen halben Rentenpunkt mehr erhalten ab diesem Jahr Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind. Sie kommen also insgesamt auf 2 Rentenpunkte. Das kann zur Folge haben, dass auch diese Mütter wieder Steuern zahlen müssen.
Warten Sie also nicht ab, bis sich das Finanzamt bei Ihnen meldet. Denn es kann passieren, dass das Finanzamt eine oder mehrere Steuererklärungen von Ihnen einfordert. Wenn dann Steuernachzahlungen für mehrere Jahre fällig werden, kann das für einen Rentner unter Umständen schwer zu finanzieren sein. Mittlerweile setzt das Finanzamt zusätzlich auch noch Steuer-Vorauszahlungen fest, die die Finanzierung für Rentner zu einer weiteren Herausforderung macht.
Zugleich haben Finanzämter praktisch keinen Ermessenspielraum mehr. Das bedeutet, dass man für Steuern aus – verspätet – zurückliegenden Jahren auch mit Verspätungszuschlägen und Zinsen rechnen muss.
Timo Bell: „Deshalb raten wir Rentnern, die nicht wissen, ob sie Steuern zahlen müssen: Lassen Sie sich von einem Lohnsteuerhilfeverein oder einem Steuerberater beraten.“
Wie sich die Rentenerhöhung 2018 auswirkte, auch anhand von Beispielen lesen Sie unter Rentenerhöhung 2018 – 54.000 Rentner müssen jetzt Steuern zahlen.
Auch interessant: Aktuelle Themen in der Rubrik Arbeit und Rente des Lohnsteuerhilfevereins.