Doppelte Haushaltsführung – Wer etwa eine Stunde für den Weg zur Arbeit benötigt, der hat keine Chance, einen zweiten Wohnsitz von der Steuer abzusetzen. Dies entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (Az.: 1 K 3229/14). „Der Weg zur Arbeit muss schon deutlich länger sein, wenn man eine Zweitwohnung nehmen und dann die Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung absetzen möchte“, sagt Timo Bell, Vorstand der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck.

 

Doppelte Haushaltsführung

Doppelte Haushaltsführung – eine Alternative zum Pendeln? Nur wenn die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeit groß genug ist.

 

Doppelte Haushaltsführung – Ist der Weg zur Arbeit „zumutbar“?

In dem aktuellen Fall lebt der Kläger mit seiner Frau und zwei Kindern in Stadt A.. Von dort fährt er mit dem eigenen Pkw täglich 35 Kilometer zu seiner ersten Tätigkeitsstätte in Stadt B.. Die Fahrtzeit beträgt etwa eine Stunde. Das Gericht hatte dies ermittelt, indem es Google Maps zu Hilfe nahm und für die „Staulagen zu Hauptverkehrszeiten“ noch einmal 30 Minuten hinzurechnete. Diese Entfernung sei „zumutbar“, entschied das Finanzgericht. Unter den Bedingungen einer Großstadt, in der sich schon aufgrund des im Innenstadtbereich herrschenden Preisniveaus die Wohnstätten der Beschäftigten in Randbereiche verlagern würden, seien solche Fahrtzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte „üblich“, argumentierten die Richter. Die Kosten für eine zweite Wohnung – doppelte Haushaltsführung –, die näher an der Tätigkeitsstätte liegt, können daher nicht von der Steuer abgesetzt werden.

Doppelte Haushaltsführung – was ist zu beachten?

Die doppelte Haushaltsführung ist im Paragraph 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Dort heißt es:

„Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt.“

Das sollten Steuerzahler beachten, wenn sie sich für einen Zweitwohnsitz entscheiden, der näher an der ersten Tätigkeitsstätte liegt:

  • Der Ort des Hauptwohnsitzes und der Beschäftigungsort müssen „auseinanderfallen“, oder zu gut Deutsch: Sie dürfen nicht am selben Ort gelegen sein. Mit dem Begriff „Ort“ meint das Steuergesetz aber nicht die Gemeinde. Um die doppelte Haushaltsführung abzusetzen reicht es also nicht aus, dass der Hauptwohnsitz in Stadt A und die erste Tätigkeitsstätte in Stadt B. liegt.
  • Die Entfernung – siehe der aktuelle Fall – spielt eine wichtige Rolle. Die Fahrt zur Arbeit sollte also deutlich länger dauern als etwa eine Stunde, wie in dem aktuellen Fall.
  • Wichtig ist aber auch die Verkehrsanbindung. Wer im ländlichen Raum wohnt, und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, der benötigt unter Umständen Stunden für den Weg zur Arbeit, auch wenn die Entfernung in Kilometern gerechnet gar nicht so groß ist.
  • Die Erreichbarkeit zum Beispiel öffentlicher Verkehrsmittel kann eine entscheidende Rolle spielen. Wer in Spätschichten eingesetzt wird, für den ist unter Umständen der letzte Zug bereits abgefahren.

Zwei Wohnungen – wo ist der Lebensmittelpunkt?

Das ist beim Thema doppelte Haushaltsführung eine entscheidende Frage. Der Hauptwohnsitz muss auch tatsächlich den Lebensmittelpunkt darstellen. Hier muss sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen abspielen: Wenn die Familie dort wohnt, der Arbeitnehmer regelmäßig am Ende der Arbeitswoche dorthin zurückkehrt, dort auch seine Freunde hat, vielleicht in einem Sportverein aktiv ist – dann ist dieses Kriterium erfüllt. Allerdings fragt die Finanzbehörde hier auch regelmäßig nach, wenn Unklarheiten vorliegen. Unter Umständen werden sogar Zeugenaussagen verlangt. Gerade bei ledigen Steuerpflichtigen, die Ihren Hauptwohnsitz im Haus/der Wohnung der Eltern haben, sind die Kriterien der Finanzbehörde strenger. Ist nicht deutlich, wo der Lebensmittelpunkt des Steuerzahlers liegt, werden die Kosten für die doppelte Haushaltsführung steuerlich nicht anerkannt.

„Jenseits des aktuellen Falls haben wir bei der doppelten Haushaltsführung mitunter den Eindruck, dass das Steuerrecht sich nicht wirklich zu den Anforderungen einer modernen Arbeitsgesellschaft passt“, sagt Timo Bell: „In unserer Praxis erleben wir immer wieder, dass manch einer auch zur Mobilität verpflichtet wird. Umweltaspekte aber auch die Nerven und damit die Konstitution des Arbeitnehmers werden dann zur Nebensache degradiert.“

Doppelte Haushaltsführung – Fahrt zur Arbeit muss länger als eine Stunde dauern ultima modifica: 2018-03-14T00:27:51+01:00 da Redaktion LSTHV