Sommerfest bei der Lohnsteuerhilfe e.V., Sitz Gladbeck – Erinnerungen an die Gründungszeit – deutsche Wiedervereinigung hautnah miterlebt

Es gibt prickelndere Dinge im Leben als Lohnsteuer. Tatsächlich? Die Lohnsteuerhilfe e.V. wurde im Osten groß, während der deutschen Wiedervereinigung. Die Berater haben Schicksale betreut, Abstürze beobachtet, Höhenflüge aber auch dies: eine „unglaubliche Aufbruchstimmung“. Heimat der Lohnsteuerhilfe ist Gladbeck. Doch der Schwerpunkt der Arbeit liegt in Ostdeutschland.

Zum alljährlichen Sommerfest hatte die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V. – Lohnsteuerhilfeverein – Sitz Gladbeck (Lohnsteuerhilfe) geladen. Man feierte in der Gelsenkirchener Schalke Arena, genoss die blau-weiße Atmosphäre, verzehrte Schalker Currywurst. Ein herzerfrischendes Sommerfest. Wie so viele.

Oder war da noch etwas anderes?

Bernd Werner ist Gelsenkirchener durch und durch. Doch 1989, kurz nach der Wende, hat ihn hier nichts mehr gehalten. Es zog ihn in den Osten. Kurz darauf gründete der 61jährige die Lohnsteuerhilfe e.V.. Um korrekt zu sein: Er gründete 1991 die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V. – Lohnsteuerhilfeverein – Sitz Gladbeck. Heute hat der Verein 290 Beratungsstellen, 40.000 Mitglieder. Er ist längst aufgestiegen in die Top Ten der Lohnsteuerhilfevereine in Deutschland. Die Zentrale arbeitet immer noch im Westen, seit 2006 in Gelsenkirchen an der Maybachstraße.

Bernd Werner ist auch heute noch 1. Vorsitzender der Lohnsteuerhilfe. Jetzt ehrte er 15 Beratungsstellen-Leiter beim Sommerfest 2012. „Jubilare“: Das hört sich formal an. Tatsächlich ehrte Werner 15 Weggefährten. Männer und Frauen aus dem Osten Deutschlands, mit denen er jene bewegenden Zeiten der Wiedervereinigung erlebte.

Es waren die Erinnerungen, die diesem Sommerfest der Gladbecker Lohnsteuerhilfe eine ganz besondere, eine einzigartige Atmosphäre verliehen.

„Das war beeindruckend“, erinnert sich Werner. Die Menschen, die zu ihnen kamen waren „unglaublich interessiert“ und „voller Elan“. Ob in Halle, Stralsund, Leipzig oder Berlin – die Frage, die alle bewegte, lautete: „Wie können wir mitmachen?“

Vielen sind die Wochenenden in Schönhagen noch in Erinnerung, damals eher ein Flugfeld denn ein Flugplatz, südlich von Potsdam gelegen. Der Hangar völlig überfüllt mit hunderten Interessierten. Menschen aus allen Berufen, Handwerker, Akademiker Angehörige der damaligen NVA der Verwaltungen waren anwesend. Vorträgen über das Steuerrecht folgten Computerschulungen. Alles improvisiert. Selbst die Formulare musste die Lohnsteuerhilfe aus dem Westen mitbringen. Im Osten gab es noch keine. „Und Abends, nach harter Rechenarbeit wurde richtig gefeiert“, erinnert sich Werner.

Lohnsteuerhilfe – das klingt nach Bürokratie, das erinnert an ein nervtötendes Übel: die Steuererklärung. Doch hinter jeder Steuererklärung steckt ein Mensch. Werner und den 15 Mitstreitern offenbarten sich Sorgen und Hoffnungen. Sie arbeiteten mittendrin, und erlebten hautnah, was ein Jahrhundertereignis wie die Wiedervereinigung für den einzelnen bedeutet.

Der Beratungsbedarf in jenen stürmischen Tagen war so enorm, dass die Lohnsteuerhilfe nicht nur wuchs sondern sich rasant entwickelte. Für die Menschen dort war das (west-) deutsche Steuerrecht ein Buch mit sieben Siegeln. So konnten mehrere hundert Beratungsstellen innerhalb kürzester Zeit aufgebaut werden. Damit entwickelte sich die Lohnsteuerhilfe e.V. auch zu einem gefragten Arbeitgeber.

„Wir hatten den Anspruch, den Leuten zu helfen“, sagt Werner. Und distanziert sich von der „Abzockerei“, die seinerzeit weit verbreitet war. „Eines Tages besuchte mich ein Mann der sagte: Ich brauche eure Beratung nicht mehr. Ich werde jetzt Millionär.“ Von einem vermeintlichen Freund (West) war ihm ein Koffer verkauft worden. Der enthielt ein Spray, mit dem sich angeblich Fernseher isolieren ließen gegen die vermeintlich gesundheitsgefährdende Strahlung, die TV-Geräte aussenden sollen. „Der Mann hatte für den Koffer 5000 Mark zahlen müssen.“ Eines von vielen Schicksalen jener Tage, von denen die Berater der Lohnsteuerhilfe so viele miterlebten.

Die Lohnsteuerhilfe e.V. schlug einen völlig anderen Weg ein. Das zeigte sich auch beim jüngsten Sommerfest: Die Mitglieder halten „ihrer“ Lohnsteuerhilfe die Treue im Osten wie im Westen. „Und viele unserer Beratungsstellen-Mitarbeiter sind ebenfalls seit den frühen Tagen dabei“, sagt Werner. Bis heute liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Osten.

Die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V. – Lohnsteuerhilfeverein – Sitz Gladbeck ist als eingetragener Verein organisiert. „Das eröffnet uns nicht nur die Möglichkeit, an vielen Standorten mit Beratungsstellen präsent zu sein“, erläutert Bernd Werner. „Wir sind damit auch breiter aufgestellt.“ So bietet die Gladbecker Steuerhilfe nicht nur die klassische Steuerberatung für Arbeitnehmer. Sie kann auch zum Beispiel bei Kindergeldfragen aktiv werden und Rentner oder Arbeitslose beraten. Voraussetzung für die Beratung ist eine Mitgliedschaft. Abhängig vom Jahreseinkommen wird ein Mitgliedsbeitrag zwischen 35 € und 180 € errechnet. Dafür ist die Lohnsteuerhilfe für ihre Mitglieder das ganze Jahr über ansprechbar.

Nach all den Erinnerungen an die Anfänge wagt Bernd Werner auch einen Ausblick: Dass die Lohnsteuerhilfe irgendwann einmal unter Arbeitsmangel leiden könnte, kann sich Bernd Werner nicht vorstellen. „Das Steuerrecht wird immer weiter verkompliziert“, so der Steuerexperte: „Selbst für den Fachmann wird es immer komplizierter.“

Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V. – Lohnsteuerhilfeverein – Sitz Gladbeck Gegründet 1991

  • 290 Beratungsstellen in ganz Deutschland
  • 40.000 Mitglieder
  • 40.000 Lohnsteuerberatungen 2011

 

Schicksale und Höhenflüge ultima modifica: 2017-10-04T10:35:13+02:00 da Redaktion LSTHV