Semestergebühren sind keine Mischkosten, sondern grundsätzlich insgesamt abziehbarer ausbildungsbedingter Mehrbedarf, auch wenn der Student privat nutzbare Vorteile, wie beispielsweise ein Semesterticket, erlangt (BFH, Urteil v. 22.9.2011 – III R 38/08; veröffentlicht am 30.11.2011).

Hintergrund: Nach derzeit noch geltender Rechtslage wird Kindergeld nur gewährt, wenn die eigenen Einkünfte des Kindes den Jahresgrenzbetrag von 8.004 € nicht überschreiten (§ 34 Abs. 4 Satz 2 EStG). Nach § 34 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben hierbei Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, außer Ansatz, sofern sie nicht bereits als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte des Kindes berücksichtigt werden (vgl. u.a. BFH, Urteil v. 14.11.2000 – VI R 62/97).

Sachverhalt: Der Kläger beantragte für seinen studierenden Sohn Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil die vom Sohn erzielten Einkünfte den Jahresgrenzbetrag überschritten hätten. Bei Berechnung der Einkünfte ließ die Familienkasse die vom Sohn gezahlten Semestergebühren, die er zur Fortsetzung des Studiums verpflichtend zahlen musste, nicht zum Abzug zu. Wären die Gebühren abgezogen worden, wäre der Grenzbetrag nicht überschritten worden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus: Die Semestergebühren stellten ausbildungsbedingte Mehraufwendungen i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG dar. Denn der Student muss diese zwingend entrichten, wenn er sein Studium aufnehmen oder fortsetzen möchte. Eine schädliche private Mitveranlassung ist nicht insoweit gegeben, als der Student privat nutzbare Vorteile (z.B. ein Semesterticket) erlangt. Maßgeblich ist, dass der Student nicht frei über den Erwerb solcher mit der Zahlung der Semestergebühr verbundenen Leistungen entscheiden kann. Dem Abzug der Kosten für ein in der Semestergebühr enthaltenes Semesterticket steht auch nicht entgegen, dass die Kosten für die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Universität bereits mit den Sätzen der Entfernungspauschale berücksichtigt werden. Denn die Entrichtung des ggf. in der Semestergebühr mitenthaltenen Betrags für ein Semesterticket beruht auf einem anderen Veranlassungszusammenhang. Maßgeblicher Grund für die Zahlung der Gebühr ist nicht die Erlangung eines Tickets, um die Wege zwischen Wohnung und Universität zurücklegen zu können, sondern die erforderliche Erlangung des Studentenstatus, um das Studium aufnehmen bzw. fortsetzen zu können.

Hinweis: Mit seinem Urteil wendet sich der BFH gegen die Verwaltungsauffassung, wonach die Semestergebühren als Mischkosten zu beurteilen sind und darin enthaltene Einzelpositionen nur dann abgezogen werden könnten, wenn die erhebende Institution diese getrennt ausweist, Abschn. 63.4.3.1. Abs. 2 DA-FamEStG 2009.

Anmerkung: Das Problem der Ermittlung eigener Einkünfte und Bezüge wird es künftig nicht mehr geben. Ab dem VZ 2012 sind die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes grundsätzlich nicht mehr als kindergeld- und kinderfreibetragsschädlich anzusetzen. Das Urteil ist dennoch von allgemeinem Interesse, weil es sich ausführlich zum Veranlassungszusammenhang bei sog. gemischten Aufwendungen äußert und den Grundsätzen folgt, die der Große Senat im sog. Las Vegas-Fall (Beschluss v. 21.9.2009 – GrS 1/06) aufgestellt hat. Das auslösende Moment für die Aufwendungen war daher im Streitfall die Erlangung des Rechts, das Studium fortsetzen zu können; angesichts dessen konnten die Nebeneffekte, wie das Semesterticket, durchaus vernachlässigt werden.

Quelle: BFH online

 

Semestergebühren sind ausbildungsbedingter Mehrbedarf (BFH) ultima modifica: 2019-10-01T12:13:18+02:00 da Red. Lohnsteuerhilfeverein