Steuerzinsen müssen gesenkt werden – Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Zinsen auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen für „verfassungswidrig“ erklärt. Die sechs Prozent Zinsen „evident realitätsfern“. Die Entscheidung gab das Gericht jetzt bekannt. Die Richter forderten den Gesetzgeber auf, ab dem Steuerjahr 2019 realistischere und verfassungskonforme Zinssätze zugrunde zu legen. Was die Entscheidung für Steuerzahler bedeutet.

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Die Steuerzinsen müssen gesenkt werden – Was das für Steuerzahler bedeutet

„Das Urteil betrifft aktuell nur vergleichsweise wenige Steuerzahler“, sagt Bernd Werner, Vorstand der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck zu der Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass die Steuerzinsen gesenkt werden müssen.

Aktuell können Steuerzahler nach dem Urteil noch nicht viel unternehmen. Denn nun ist erstmal der Gesetzgeber gefragt. Das Verfassungsgericht hat diesem bis 31. Juli 2022 Zeit gegeben, „eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen“, erklärte das Gericht. In der Pressemitteilung heißt es:

“Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.”

Einen Zinssatz oder einen Rahmen dafür hatten die Richter nicht festgelegt. Das heißt: Die Steuerzinsen müssen gesenkt werden, aber in welcher Größenordnung – das muss der Gesetzgeber entscheiden.

„Gleichwohl ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtes ein schrilles Signal. Auch wir haben uns bei dem Zinssatz von sechs Prozent auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen immer wieder gefragt: Wieso lässt der Gesetzgeber das einfach weiterlaufen?“ Der Zinssatz von sechs Prozent stammt übrigens aus dem Jahr 1961.

Steuerzinsen müssen gesenkt werden – Was jetzt zu tun ist

  • Wer einen verspäteten Steuerbescheid 2019 erhalten hat, der sollte prüfen, ob das Finanzamt Zinsen festgesetzt hat.
  • Im weiteren Schritt sollten betroffene Steuerzahler genau nachlesen, ob das Finanzamt den Vorläufigkeitsvermerk zur Festsetzung von Zinsen in den Steuerbescheid eingefügt hat. Üblicherweise ist das in den meisten Bescheiden vom Finanzamt der Fall.
  • Fehlt der Vorläufigkeitsvermerk zu den Steuer Zinsen doch einmal, dann muss man Einspruch einlegen.

Da das Verfassungsgericht verlangt, die Steuerzinsen müssen gesenkt werden, können Betroffene mit diesen Auswirkungen rechnen: Wer für das Steuerjahr 2019 Steuern nachzahlen musste, der hat dem Finanzamt zu viel Geld überwiesen. Wer eine Erstattung erhalten hat, der muss sich darauf vorbereiten, dem Finanzamt einen Teil der Zinsen, die er erhalten hat, zurückzuzahlen.

Die Wirkung der Verfassungsgerichtsentscheidung wird sich in Zukunft auf immer mehr Steuerzahler erstrecken.

Neben den Zinsen für die Einkommensteuer berechnet das Finanzamt übrigens aber auch Zinsen bei der Umsatzsteuer, sowie bei der Vermögens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer.

Zwar müssen die Steuerzinsen gesenkt werden – Aber das Verfahren wird wohl bleiben

Steuerzinsen erhebt das Finanzamt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung). Dieser Zeitraum nennt sich „Karenzzeit“. Liegt nach Ablauf der Karenzzeit noch kein Steuerbescheid vor, beginnt der sogenannte „Zinslauf“. Dieser endet mit dem Tag, an dem der Steuerbescheid wirksam wird.

Der Fiskus setzt für jeden vollen Monat Zinsen an und zwar bisher in der Höhe von 0,5 Prozent. Das entspricht einem Jahreszins von sechs Prozent. Der Zinssatz wird sowohl bei Steuererstattungen wie auch bei Steuernachforderungen fällig – im Erstattungsfall dann zugunsten des Steuerzahlers.

Ein Beispiel: Ein Steuerzahler gab die Steuererklärung 2019 verspätet ab. Den Steuerbescheid erhielt er Ende Juli 2021. Das heißt, 15 Monate nach Ablauf des Jahres 2019 beginnt der Zinslauf. Für April, Mai und Juni (volle Monate) berechnete das Finanzamt jeweils 0,5 Prozent Zinsen.

Diese Steuerzinsen betreffen jedoch nur Steuerzahler, die weder von einem Lohnsteuerhilfeverein noch von einem Steuerberater beraten wurden. Denn für Lohnsteuerhilfevereine gibt es, bedingt durch die Corona-Pandemie, Sonderregelungen für die Steuererklärung 2019. Hier ist die sonst übliche „Karenzzeit“ von 15 Monaten um weitere sechs Monate verlängert.

So hoch waren die Einnahmen des Fiskus durch die Steuerzinsen

Die Nachzahlungszinsen bei der Einkommensteuer lagen jahrelang weit höher als die Erstattungszinsen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervorgeht, nahm der Fiskus im Jahr 2015 rund 1,37 Milliarden Euro durch Nachzahlungszinsen ein. Demgegenüber standen Erstattungszinsen von rund 896 Millionen Euro, die der Fiskus an Steuerzahler auszahlte. Im Jahr 2019 kippte das Verhältnis erstmals. Der Fiskus zahlte 105 Millionen Euro mehr Zinsen aus als er einnahm.

Steuerzinsen nicht mit Verspätungszuschlägen verwechseln

„Bei verspäteten Steuerbescheiden sollte man immer auch den Verspätungszuschlag im Auge behalten. Denn darüber hat das Verfassungsgericht natürlich nicht entschieden“, sagt Bernd Werner. Der Verspätungszuschlag beträgt mindestens 25 Euro pro Verspätungsmonat. „Wer sich von einem Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater beraten lässt, der gewinnt Zeit.“ Das gilt übrigens auch noch für die Steuererklärung 2019. Diese müssen Mitglieder eines Lohnsteuerhilfevereins bzw. Mandanten eines Steuerberaters erst Ende August abgeben.

Die wichtigsten Fragen zu Steuerzinsen müssen gesenkt werden auf einen Blick

Wie hoch sind die Zinsen auf Steuern?
Der Zinssatz lag bisher bei sechs Prozent im Jahr bzw. bei 0,5 Prozent pro Monat. Der Fiskus berechnet die Zinsen für jeden vollen Monat. Das Bundesverfassungsgericht urteilte jetzt, dass dieser Zinssatz nicht verfassungskonform ist. Der Gesetzgeber muss nun neue Zinsen für Steuernachzahlungen und für Steuererstattungen festlegen.
Für welche Jahre kommen die neuen Steuerzinsen?
Das Bundesverfassungsgericht fordert vom Gesetzgeber, dass dieser ab dem Steuerjahr 2019 den neuen Zinssatz zur Anwendung bringt. Zwar hält das Gericht den bisherigen Zinssatz auf Steuernachzahlungen und Erstattungszahlungen schon ab dem Jahr 2014 für nicht mehr verfassungsgemäß. Gleichwohl heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts: “Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar.”
Wie hoch werden die neuen Zinsen auf Steuern ausfallen?
Die Höhe der Zinsen für Steuern steht zur Zeit noch nicht fest. Das Bundesverfassungsgericht lässt dem Gesetzgeber hier freie Hand. Mit dem Thema wird sich dann die neue Bundesregierung beschäftigen.
Wer muss eigentlich Zinsen für Steuern zahlen?
Zinsen muss man dann zahlen, wenn man zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist aber auch 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahres noch keinen Steuerbescheid vom Finanzamt bekommen hat. Ab dem 16. Monat berechnet das Finanzamt Zinsen. Allerdings nur für volle Monate. In letzter Zeit waren zum Beispiel auffällig viele Rentner davon betroffen. Der Fiskus hatte immer wieder Ruheständler aufgefordert, für mehrere zurückliegende Jahre Steuererklärungen einzureichen. In vielen Fällen wurden dann Nachzahlungen und damit Zinsen fällig.
Ändert sich eigentlich auch der Verspätungszuschlag?
Der Verspätungszuschlag ist eine völlig andere Maßnahme als die Steuerzinsen. Anders ausgedrückt: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Insofern: Nein, der Verspätungszuschlag ändert sich nicht.

Auch interessant: Wann muss man Verspätungszuschlag zahlen.
 

Steuerzinsen müssen gesenkt werden – Was das Verfassungsgerichtsurteil für Steuerzahler bedeutet ultima modifica: 2021-09-08T17:04:45+02:00 da Redaktion LSTHV